
Eine Obliegenheitsverletzung bezeichnet im Versicherungsrecht die Verletzung von Verhaltensvorgaben, die ein Versicherungsnehmer gegenüber seinem Versicherer einhalten soll. Diese Vorgaben sind nicht rechtlich verpflichtend, sondern dienen dazu, das Risiko eines Schadensfalls zu minimieren und im Schadensfall eine ordnungsgemäße Abwicklung zu gewährleisten.
Obwohl sie keine einklagbaren Pflichten darstellen, können Verstöße gegen diese Regeln erhebliche Konsequenzen haben, insbesondere den Verlust des Versicherungsschutzes.
Nach Abschluss eines Versicherungsvertrags haben Sie als Versicherungsnehmer verschiedene Obliegenheiten. Dazu gehört etwa, dass Sie Risikoerhöhungen nach Vertragsschluss anzeigen müssen und dass Sie nach Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer jede Auskunft erteilen müssen, die zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich ist.
Im Schadensfall kommen weitere Obliegenheiten hinzu, wie die unverzügliche Meldung des Schadens sowie alle möglichen Maßnahmen zur Schadensbegrenzung zu ergreifen. Alle Obliegenheiten des Versicherten müssen klar und transparent in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) oder im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt sein.
Typische Beispiele für Obliegenheitsverletzungen in Versicherungsverträgen betreffen häufig die vorvertragliche Anzeigepflicht, Verhaltenspflichten während der Vertragslaufzeit oder im Schadensfall. Dabei kommt es natürlich auch auf die Police und die Art der abgeschlossenen Versicherung an.
Beispiele für Versicherungen mit Verletzung der Obliegenheiten sind:
Obliegenheitsverletzungen liegen immer dann vor, wenn der Versicherungsnehmer gegen eine festgelegte Verhaltensregel verstößt. Der Versicherer muss den Versicherungsnehmer jedoch über die Folgen einer solchen Obliegenheitsverletzung informieren und belehren. Tut er dies nicht, so kann sich der Versicherer nicht auf die Verletzung der Obliegenheit berufen. Vorsätzliche Verstöße gegen eine Obliegenheit führen in der Regel zu einer vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers.
Werden die vertraglichen Obliegenheiten verletzt, führt das nicht automatisch dazu, dass die Versicherung keine Leistungen mehr erbringen muss.
Je nachdem, ob der Vertrag auch eine entsprechende und wirksame Rechtsfolgenregelung enthält und wie schwer die Obliegenheit verletzt wurde, fallen auch die Konsequenzen aus.
Ist der Leistungsfall durch einfach fahrlässige Obliegenheitsverletzung entstanden, kann der Versicherer die Versicherungsleistung deswegen nicht reduzieren.
Wird die Obliegenheit hingegen grob fahrlässig verletzt, kann der Versicherer die Versicherungsleistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis kürzen.
Wenn die Obliegenheitsverletzungen kausal für den Schaden sind und vorsätzlich oder arglistig begangen wurden, führen sie zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers.
Auch eine rückwirkende Änderung der Vertragsbedingungen ist beispielsweise bei einer grob fahrlässigen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit möglich (§ 19 Abs. 4 S. 2 VVG).
Bei arglistiger Verletzung vorvertraglicher Anzeigeobliegenheiten kann der Versicherer den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist im Wege der Anfechtung beenden.
Die Obliegenheitsverletzung führt immer nur dann zur Leistungsfreiheit, wenn sie tatsächlich ursächlich für die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang des Schadens war. So soll der Versicherungsnehmer vor ungerechtfertigten Leistungskürzungen geschützt werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.
Nach § 28 Abs. 3 VVG trägt in diesem Fall der Versicherungsnehmer die Beweislast für die fehlende Kausalität. Kann er keinen (ausreichenden) Nachweis bringen, ist der Versicherer weiterhin (teilweise) leistungsfrei.
Der sogenannte Kausalitätsgegenbeweis ermöglicht es dem Versicherungsnehmer, nachzuweisen, dass sein Verhalten keinen Einfluss auf den entstandenen Schaden hatte. Sollten Sie unsicher sein, ob in Ihrem Fall ein Kausalitätsgegenbeweis standhält, sollten Sie einen Anwalt für Versicherungsrecht hinzuziehen. Dieser kann prüfen, ob eine Leistungsfreiheit tatsächlich gerechtfertigt ist und ob ein Kausalitätsgegenbeweis erbracht werden kann.
Bei Altverträgen mit Versicherungsbeginn vor dem 01.01.2008 gilt teilweise, dass die Versicherung auch dann nicht leistungsfrei werden kann, wenn die Verletzung der Obliegenheit grob fahrlässig oder vorsätzlich erfolgte. Da einige Versicherungen bestehende Verträge im Zuge der VVG-Reform nicht entsprechend angepasst haben.
Die Anwälte für Versicherungsrecht der Kanzlei Hopkins bieten Ihnen wertvolle Unterstützung bei allen Rechtsfragen und Anliegen rund um die Obliegenheitsverletzung: